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Zusammenfassung der Podiumsdiskussion

Zeitenwende

Zusammenfassung: Podiumsdiskussion

Der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel machen es deutlich: Wir werden künftig nicht mehr leben wie bisher und müssen lernen, damit umzugehen – ja, die nötigen Veränderungen selbst in die Wege leiten. Zusammenfassung der Podiumsdiskussion im Rahmen der Bildungskonferenz von Kolping Österreich in Linz.

„Stellen sie sich vor, Ihr Haus wird jeden Tag von einem Nachbarn beschossen und Sie können nichts tun, um sich zu verteidigen, weil Sie keine Mittel dazu haben.“ Mit diesem Vergleich veranschaulichte der Zeithistoriker Peter Ruggenthaler bei der Kolping-Bildungskonferenz die Lage in der Ukraine im Februar 2022. Die Frontalattacke Putins bezeichnete er als „erbarmungslosen Feldzug, der auf Vernichtung ausgerichtet ist“; als Hauptgründe, warum der Kreml dieses Inferno entfesselt habe, nennt er eine Art „Besessenheit“ von einer „hausgemachten neoimperialen Ideologie“ mit dem Ziel, Russland als Großmacht wiederherzustellen. Immerhin sei festzustellen, so Ruggenthaler, „dass eine breite Massenbewegung für diese Ideen in Russland nicht vorhanden ist, dass die jungen Leute lieber ins Ausland gehen und viele Russen eine friedliche Existenz führen wollen und nicht bereit sind, für die abstrusen Herrschafts-Phantasien ihrer Führung ihr Leben zu lassen.

Wie sich die Lage weiter entwickeln werde, darüber könne man, sagte der stellvertretende Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung, keine sichere Aussage treffen. Immerhin habe das „Haus Ukraine“ inzwischen feste Schlösser und ein paar schusssichere Fenster erhalten. Das Potential der ukrainischen Armee sei von den russischen Machthabern sträflich unterschätzt worden, ebenso die sozialen Veränderungen im Land in den letzten 30 Jahren und die Entschlossenheit des Westens, die russische Aggression nicht tatenlos hinzunehmen. Auf absehbare Zeit, stellte Ruggenthaler fest, werde der Krieg wohl weiter toben, aber unter den gegenwärtigen Umständen müsse man sagen: „Krieg kann auch Freiheit bringen, und um die Freiheit muss manchmal auch mit äußersten Mitteln gekämpft werden.“ Bei aller momentanen Aussichtslosigkeit war ihm aber auch die Feststellung wichtig, „dass sich jede Krise, und sei sie noch so gefährlich, zum Guten wenden kann – daran sollen wir glauben, das sollen wir hoffen und dazu sollen wir auch unseren Beitrag leisten.“

Hoffnung – sie wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion auch von Taras Chagala, dem Pfarrer der ukrainischen Gemeinde in Wien, thematisiert: „Menschen gerade im Krieg Hoffnung zu geben, ist das Wichtigste“, stellte er fest und lobte in diesem Zusammenhang die Bemühungen von Organisationen wie Kolping, Hilfe zu leisten durch Spenden und Transporte. So lange die Menschen Hoffnung hätten, würden sie zu einem großen Teil trotz aller Schrecken in der Ukraine bleiben, „wenn sie diese verlieren, fliehen sie.“ Manchmal wundere er sich selbst darüber, dass noch immer so viele in den Kriegsgebieten ausharren und für die Freiheit kämpfen, sagte der griechisch-katholische Geistliche, der auch die Länder des Westens von den Auswirkungen des russischen Angriffs auf sein Heimatland betroffen sieht: Moderne Kriege würden nicht nur mit Waffen geführt, sondern auch mit wirtschaftlichen Mitteln, deswegen sei die Situation auch in Österreich angespannt: „Jeder von uns spürt, dass das Geld weniger wert ist, das ist eine Folge des Krieges. Glauben Sie nicht, dass der Krieg nicht nach Österreich kommen wird – er ist schon mitten da.“ Die hohen Preise für Energie, die Flüchtlinge auf den Straßen, der Klimawandel, auf den keiner mehr aufpasst, das seien die Schatten, die der Angriff Russlands auf die Ukraine auch auf Länder wie Österreich werfe.

Dass etwas ins Rutschen geraten ist und ein größerer Umbruch bevorsteht, für den die Ereignisse in der Ukraine ebenso wie die schon beobachtbaren Folgen des Klimawandels so etwas wie Vorboten sind, diese Meinung wurde am Kolping-Podium von der Politikwissenschaftlerin Martina Handler vertreten, einer Spezialistin für Mediation und den konstruktiven Umgang mit Konflikten; im Frühjahr hatte sie als Moderatorin den „Klimarat der Bürgerinnen und Bürger“ begleitet. Wir würden nicht mehr in die „Zeit vorher“ zurückkehren können, warb sie für eine realistische Einschätzung der gegenwärtigen Lage: „Wir treten ein in eine Zeit, wo Krise und Konflikt ständige Begleiter sein werden; die Veränderungen, die anstehen, werden gravierend sein und wir werden lernen müssen, damit umzugehen.“ Hoffnung schöpft Handler aus ihren Erfahrungen aus dem Klimarat: „Wenn Menschen erkennen, dass es um etwas geht, nämlich um unsere Zukunft, und dass wir so wie bisher nicht einfach weitermachen können, dann sind sie zu ganz weitreichenden Schritten bereit.“ Worum es jetzt gehe, sei eine Abkehr von dem bisher vorherrschenden Modell des Nebeneinander, in dem jeder in seiner eigenen „Ich-AG“ lebe, hin zu einer Haltung, in der die Menschen wieder mehr aufeinander hören und darauf schauen, was uns alle verbindet – unter vielen anderen Dingen „jedenfalls der Wunsch, dass wir und auch unsere Kinder und Enkel in einer guten und so weit wie möglich friedlichen Welt leben können.“

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