Was hält unsere Gesellschaft (noch) zusammen? So lautete das Thema der heurigen Bildungs-Konferenz von Kolping Österreich am 19./20. Oktober in Innsbruck. Dabei wurde eine Art Bilanz gezogen gegen Ende des heurigen „Super-Wahljahrs“, in dem weltanschauliche Unterschiede zum Teil überdeutlich zutage traten, und die Frage gestellt, wie unsere demokratische Ordnung – angesichts unübersehbarer Spaltungstendenzen bei uns und in vielen anderen Ländern – gestärkt und gefördert werden kann.
Dazu mahnte die Politologin Margit Appel, die das Hauptreferat hielt, zuvorderst Widerstand gegen eine feststellbare „Kannibalisierung“ der Demokratie ein, Folge des faktischen Ausschlusses großer Gruppen von der Mitgestaltung unseres Zusammenlebens; Besitzende und Nichtbesitzende würden einander heute in einer Art neuen Klassengesellschaft gegenüberstehen, als extrem ungleiche Konkurrenten, die noch dazu entlang von Kriterien wie Herkunft oder Nationalität gegeneinander ausgespielt werden. Solle Demokratie als Regierungs- und Lebensform Zukunft haben, gelte es, „gegen die Demokratie gefährdenden Privilegien anderer Widerstand zu leisten und auch eigene Privilegien in Frage zu stellen“, so Appel.
In einem Co-Referat ging Claus Reitan, ehem. Chefredakteur u.a. der Tiroler Tageszeitung und der „Furche“, auf die Rolle und Verantwortung der Medien für ein gelingendes gesellschaftliches Miteinander ein: „Die Qualität der Demokratie ist mitbestimmt durch die Qualität ihrer Vermittlung“, hielt er fest und wandte sich gegen eine Form von Journalismus, die auf Empörung statt auf Erkenntnisgewinn setze und somit zum „Brandbeschleuniger des Populismus“ werde.
Magdalena Modler-El Abdaoui, Religionswissenschaftlerin und Leiterin des Hauses der Begegnung in Innsbruck, nahm zum brennenden Thema Zuwanderung/Asyl Stellung und wie in diesem Bereich Lagerbildungen vermieden werden können – in erster Linie dadurch, dass „in guten Zeiten Gelegenheiten geschaffen und genutzt werden, Vertrauen aufzubauen und mit Vielfalt umzugehen“, dabei verwies sie besonders auf die Tugend, einander zuzuhören, um das Verständnis füreinander zu fördern.
Ein Beispiel aus der Praxis lieferte der Zentralsekretär des Kolpingverbandes Rumänien, Eduard Dobre. Nach der Wende 1989, als nach Jahrzehnten der kommunistischen Diktatur kaum zivilgesellschaftliche Strukturen vorhanden waren, habe Kolping Pionierarbeit geleistet, Menschen zusammenzuführen. Dabei war, so Dobre, vor allem Offenheit füreinander wichtig sowie die Schaffung von „freien Räumen, wo andere andocken können“; dort wurden Umgangsformen wie Toleranz und Sanftmütigkeit eingeübt und der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus gerichtet.
Auch die Präsidentin von Kolping Österreich, Christine Leopold, verwies in ihrem Grußwort auf die Bedeutung der bei Kolping gepflegten Haltung, das Miteinander und nicht Gegeneinander zu fördern, auch in schwierigen Zeiten, wie wir sie – Stichworte: Teuerung, Energiekrise, Bedrohung durch Klimawandel, Kriege u.a.m. – derzeit erleben. Zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts hob sie die Bedeutung der sozialen Angebote unseres Verbandes hervor, die darauf abzielen, Menschen, die in benachteiligen Verhältnissen leben, zu ermächtigen und in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. In einem weiteren Grußwort bezeichnete Bildungs-Landesrätin Cornelia Hagele, die die Grüße von LH Anton Mattle überbrachte, es als „Glück, dass es funktionierende Vereine wie Kolping gibt, die gerade jungen Menschen den Wert von Gemeinschaft vermitteln“.
Die aktive und konstruktive Mitgestaltung des jeweiligen gesellschaftlichen Umfelds gehört bei Kolping seit der Gründung vor bald 175 Jahren zu den „Säulen“ der Tätigkeit des Verbandes. Mit rund 30 Jugendwohnhäusern und 35 Sozialeinrichtungen zählt Kolping Österreich zu den großen Sozialorganisationen unseres Landes. Aktuell finden rund 5.000 SchülerInnen, StudentInnen und junge Berufstätige in den Kolpinghäusern Unterkunft, Begleitung und professionelle Betreuung; zusätzlich wurden Einrichtungen geschaffen für Menschen in unterschiedlichen sozialen Notlagen: Jugendliche in Krisensituationen, von Gewalt betroffene Frauen und Kinder, AsylwerberInnen, Menschen mit Behinderungen, psychisch beeinträchtigte Personen, Pflegebedürftige u.a.m.
Mehr als eintausend hauptamtliche sowie zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den Häusern und den Sozialprojekten des Kolpingverbandes tätig, der sich einem christlich-sozialen Weltbild verpflichtet weiß. Kolping Österreich ist Teil des Internationalen Kolpingwerkes mit rund 400.000 Mitgliedern in mehr als 60 Ländern der Welt.
Foto: © Kolping Österreich
Hauptreferentin Mag.a Margit Appel (Politologin); Referatstitel: „Orte des sozialen Zusammenhalts als Kraft-Zentren der Demokratie“

